Detmold

13---mit-Spierlingsfenster

Thierry Boissel, Heilig-Kreuz-Kirche, Detmold, 2009

 Autor: Sven Künzel M.A.

2009 wurde die Heilig-Kreuz-Kirche in Detmold unter der Leitung des Architekten Franz Jansen renoviert. Für die Neugestaltung der Kirche entwarf Thierry Boissel die Portale im Osten und Westen sowie Trennwände im Innenraum. Durch die Gestaltung verschafft der Künstler der Kirche einen zeitgemäßen Auftritt und setzt maßvoll neue Akzente, wobei er respektvoll auf die vorhandene Architektur und Glasmalerei eingeht.

Die Heilig-Kreuz-Kirche ist in ihrem Grundriss als dreischiffige Basilika mit einer im Westen vorgelagerten rechteckigen Eingangshalle konzipiert. Die Westfassade der Kirche ist als annäherndes Quadrat verfasst. Die weiße, schmucklose Fassadenfront ist durch symmetrisch angeordnete Fenster sowie ein zentrales rechteckiges Portal gegliedert. Die Seitenverhältnisse des Portals sind mit der Fassadenfläche abgestimmt. Über dem Portal befindet sich eine große Fensterrose, darüber verläuft eine Reihe mit fünf Rundbogenfenstern. Seitlich sitzen auf der Höhe der Eingangstür je 3 kleine Rundbogenfenster. Das Portal sowie alle Fenster sind in einem ockerbräunlichen Farbton gerahmt.

Nach einer tiefen Auseinandersetzung mit denkmalpflegerischen und kunsthistorischen Aspekten erschuf Thierry Boissel ein raffiniert gestaltetes Holzportal mit farbigen Glasinlays. Der Künstler entwarf eine zweiflügelige Eingangspforte, die von außen durch senkrecht verlaufende, helle und dunkle Holzsprossen strukturiert ist. Die Holzsprossen sitzen in handbreitem Abstand voneinander vor einer Glasscheibe, die so von außen kaum wahrnehmbar ist. Die streng geometrische Aufteilung der Hölzer gewinnt durch deren asymmetrisches Farbmuster an Lebendigkeit. Das Farbspiel der hellen und dunkleren Hölzer wirkt freundlich, anziehend und einladend, das Portal ruhig und gefasst. Die Schlichtheit der Fassade und die Konzeption der Eingangspforte lassen den Betrachter nicht ahnen, welche Farbenvielfalt des Lichts ihn im Inneren der Kirche erwartet.

Betritt man die Kirche durch das beschriebene Portal, so gelangt man in eine über die gesamte Breitseite reichende schmale Vorhalle, den Narthex. Vom Portal ausgehend, verläuft eine sich verbreiternde trapezförmige Fläche, die durch zwei umlaufende Stufen in einen abgesetzten Raum innerhalb der Halle erklärt ist. In der Mitte dieses Ortes ist in ein runder Taufstein in einem reliefierten Sockel platziert. Beim Umschreiten des Taufsteins sieht man nun zwischen den abdunkelnden Holzsprossen des Portals bunte Glasstücke durch das einfallende Tageslicht hervorleuchten. In dem Prinzip der Holzsprossenteilung sind rasterförmig zwischen die Hölzer verschiedenfarbige längsförmige Glasstreifen auf die Türscheibe geklebt. Im gleichmäßigen Wechsel mit farblosen Fläche ergeben transparente blaue, rote, gelbe und grüne Gläser ein nahezu symmetrisches Farbmuster. Von der Außenseite sind auf die Glasscheiben farblosen Glasstreifen aufgeklebt, welche die farbigen Glasstücke überlappen und so dem Farbeindruck mehr Tiefe verleihen. Das einfallende Tageslicht wird teils in kräftigen, andererseits in zarten Farben wiedergegeben. Die leuchtende Farben erhellen und erwärmen diesen Raum und geben ihm eine freudige, heitere und sinnliche Atmosphäre. Am Boden und an der Wand entstehen fragmentarische Farbmuster, wie man sie vom Hineinsehen in ein Kaleidoskop kennt.

Die Vorhalle öffnet sich zum großen Kirchenraum mit fünf Segmentbögen, die auf rechteckigen Pfeilern laufen. Neben dem zentralen weiten Bogen, durch den der Zugang zum Hauptschiff verläuft, liegen je zwei kleinere Bögen, wobei der äußere Bogen den Zugang in das entsprechende Seitenschiff bildet. In die Bogenfelder sind rechteckförmige Glastrennwände gesetzt, welche die auch als Taufkapelle fungierende Vorhalle zumindest sinnbildlich vom Kirchensaal trennen. Der größte Teil dieser Flächen ist farblos und transparent, so dass der hohe Kirchenraum von der Vorhalle aus voll wahrgenommen werden kann. Die Trennwand wurde mit integrierten Drehflügeln so konzipiert, dass der Zugang zum Hauptschiff und zu den Seitenschiffen geöffnet und geschlossen werden kann. Bei der Gestaltung der Glaswand führt Boissel das künstlerische Prinzip der Eingangspforte fort. Die gesamte Fläche ist durch mehr als hundert blaue, grüne, gelbe und rote Lambertsgläser sowie farblose heissstrukturierte Gläser in regelmäßig angeordneten, schmalen Rechtecken gegliedert. Die farbigen Gläser erhalten durch strukturell gestaltete farblose Glasstreifen auf der Gegenseite mehr Tiefe sowie eine formende Rhythmisierung. Bei genauerem Betrachten lassen sich in den farblosen Glasstreifen vereinzelt eingeschmolzen Worte wie „Gebet“, „Vertrauen“, oder „Hoffnung“ finden. Auch die christlichen Symbole „Fisch“ und „Kreuz“ sind im Schmelzverfahren in die Gläser eingebracht.

Die Gestaltung lässt durch ihre Farbigkeit oder durch ihre Oberfläche ein lebendiges abwechslungsreiches Bild entstehen, ist aufgrund ihrer Leichtigkeit und Transparenz aber erst beim wiederholten Hinsehen wirklich fassbar. Die Trennwand scheidet die Vorhalle vom Kirchenraum, ohne ihn zu isolieren. Die visuelle Wahrnehmung des Betrachters springt zwischen Aufsicht und Durchsicht. Lichtvibrationen entstehen, die dem Betrachter Eigenschaften von Glas, Farbe, Licht und Raum visuell erfahrbar werden lassen. Dies entspricht dem Anliegen des Künstler, der mit seinem Werk eine sinnliche Antwort auf die Bedürfnisse der Gemeinde findet, einfühlsam mit der vorhandenen Architektur und bestehenden Glasmalerei umgeht und ganz eigene Akzente in der zeitgenössischen Glasmalerei setzt.

Boissel hat sich seit Jahren in der Glaskunst etabliert und vor allem die Technik des Fusings – ob in der freien oder in der angewandten Arbeit – in der Glasszene salonfähig gemacht und ihr zur Anerkennung verholfen. Das Anliegen des Künstlers, Glasmalerei immer wieder neu zu definieren und die bestehenden Architektur zu bereichern, nicht aber zu übertrumpfen, ist ihm in dem Werk für die Heiligkreuzkirche in Detmold überzeugend gelungen.

Die Arbeiten in der Heiligkreuzkirche in Detmold wurden 2009 von der Glasmalerei Peters in Paderborn ausgeführt.